Was der Beckenboden mit Periodenschmerzen zu tun hat – und warum das Thema auch auf der Bühne ein Wichtiges ist
Periodenschmerzen sind kein reines Hormonproblem. Oft spielt der Körper selbst eine größere Rolle, als wir denken. Eine funktionelle Perspektive auf ein tabuisiertes Thema.
Ein Thema, das viele betrifft – und über das kaum jemand spricht
Menstruation gehört zum Leben der Frauen. Und doch ist sie in vielen Kontexten kaum sichtbar – vor allem dann, wenn sie Beschwerden macht. Gerade in leistungsorientierten Feldern wie der Musikszene wird über Periodenschmerz meist geschwiegen: Man funktioniert eben – auf der Bühne, im Unterricht, beim Üben.
Dabei zeigen viele Erfahrungsberichte (und auch meine eigene Arbeit), dass Periodenschmerz nicht nur ein hormonelles, sondern auch ein funktionelles Thema ist. Denn der Körper ist keine Aneinanderreihung von Einzelteilen. Und auch die Gebärmutter ist nicht losgelöst vom Rest des Körpers.
Der Beckenboden – mehr als Rückbildung und „Frauenthema“
Wenn wir über den Beckenboden sprechen, denken viele an Schwangerschaft, Rückbildung oder Inkontinenz. Doch der Beckenboden ist ständiger Mitspieler unserer Haltung, Atmung und Aufrichtung – auch ganz unabhängig vom Kinderkriegen.
Er arbeitet eng mit dem Zwerchfell, der tiefen Bauchmuskulatur und dem Rücken zusammen. Wenn diese Systeme nicht funktional zusammenspielen – etwa durch ein dauerhaftes Hohlkreuz, eingeschränkte Ausatmung oder fehlende Bewegung im unteren Rücken – kann das Spannung im kleinen Becken erzeugen. Und genau diese Spannung beeinflusst auch den Bereich rund um die Gebärmutter.
Warum Periodenschmerz oft mit der Haltung beginnt
Die Gebärmutter ist über Bänder und Faszien im Becken aufgehängt – sie „schwimmt“ nicht frei. Diese Strukturen reagieren auf Spannung, Haltung und Zugrichtungen im Körper.
Ein dauerhaft nach vorne gekipptes Becken (v. a. in Kombination mit einem Hohlkreuz) verändert die Druckverhältnisse im Bauchraum. Das Zwerchfell kann nicht mehr effizient arbeiten, der Beckenboden reagiert mit Gegenanspannung, und die Durchblutung im kleinen Becken wird eingeschränkt.
Das Resultat: Die Gebärmutter hat weniger Spielraum für ihre natürlichen Bewegungen während der Menstruation. Schmerzen können dadurch verstärkt oder überhaupt erst ausgelöst werden – ganz ohne dass ein „medizinisches Problem“ vorliegt.
Atmung, Druck und Entlastung
Eine der wirksamsten Stellschrauben liegt – wie so oft – in der Atmung. Wer es schafft, den Atem funktional in den Körper zu leiten, das Zwerchfell zu aktivieren und die Bauchdecke weich zu lassen, unterstützt die Aufrichtung von innen heraus.
Die bewusste Ausatmung, idealerweise mit einer leichten Widerstandsspannung in der Bauchdecke, hilft nicht nur dabei, das Nervensystem zu regulieren. Sie aktiviert auch die tiefe Bauchmuskulatur – und stellt eine direkte Verbindung zum Beckenboden her.
Ein- und Ausatmung sind Bewegungen, die den Beckenboden unweigerlich mit einbeziehen. Der Beckenboden reagiert auf die Druckverhältnisse im Bauchraum – und bewegt sich mit dem Zwerchfell wie ein dynamischer Partner mit. Wird diese Verbindung bewusst genutzt, entsteht mehr Raum, bessere Zirkulation – und oft auch weniger Beschwerden.
Was die Forschung sagt: Beckenbodendysfunktion kann Regelschmerz verstärken
Auch wenn Periodenschmerzen viele Ursachen haben können – von hormonellen Schwankungen bis hin zu Erkrankungen wie Endometriose – zeigt sich in Studien und klinischen Berichten, dass ein dysfunktionaler Beckenboden ein mitverursachender oder verstärkender Faktor sein kann:
Eine überaktive oder verspannte Beckenbodenmuskulatur kann die natürliche Bewegung der Gebärmutter behindern und den Druck im kleinen Becken erhöhen. Das kann zu intensiveren Krämpfen und Schmerzen führen.
Gerade bei chronischen Regelschmerzen (z. B. bei Endometriose) entstehen häufig Spannungsketten und Schonhaltungen, die die Beckenbodenmuskulatur mit einbeziehen und die Beschwerden weiter verstärken.
Fachportale empfehlen daher zunehmend, bei anhaltenden Menstruationsbeschwerden auch die Funktion des Beckenbodens zu betrachten – als unterstützenden therapeutischen Ansatz oder zur funktionellen Differenzialdiagnostik.
Diese Erkenntnisse stützen den Gedanken, dass ein funktioneller, entlasteter Beckenboden eine wichtige Basis ist, um Periodenschmerz ursächlich zu begegnen – oder zumindest ein häufiges Grundmuster ausschließen zu können.
Musikerinnen: besonders belastet, besonders gefragt
In der Musikszene – besonders bei Bläserinnen, Sängerinnen oder Streicherinnen – treffen gleich mehrere Risikofaktoren aufeinander: einseitige Haltung, hoher (Leistungs-)Druck, lange Sitzphasen und ständiges intraabdominales Druckmanagement. Viele haben gelernt, über Beschwerden hinwegzusehen oder sie zu „managen“.
Dabei könnte genau das Verständnis der körperlichen Funktion helfen, Beschwerden zu lindern. Der Körper meldet sich nicht, um zu stören. Er meldet sich, weil etwas nicht mehr im Gleichgewicht ist.
Funktion statt Symptombekämpfung
Statt vorschnell zu Schmerzmittel zu greifen, lohnt sich der Blick auf das Ganze:
Wie bewege ich mich durch den Tag?
Wie atme ich?
Welche Spannung herrscht im unteren Bauch?
Wie fühlt sich mein Beckenboden an – eher fest, taub oder überaktiv?
Diese Fragen sind keine Diagnoseinstrumente. Aber sie sind ein Einstieg in einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Körper. Und sie helfen, Periodenschmerz nicht als individuelles Versagen zu sehen – sondern als ein funktionelles Feedbacksystem.
Fazit: Periodenschmerz ist nicht nur ein Thema für die Gynäkologie
Der Beckenboden ist Teil eines Systems. Und auch die Menstruation steht in diesem System nicht für sich allein. Wer lernt, die Sprache des Körpers zu verstehen – Haltung, Druck, Spannung, Bewegung – kann den eigenen Zyklus mit neuen Augen sehen. Und vielleicht sogar mehr Leichtigkeit in den Alltag (und auf die Bühne) bringen.
p.s. Falls du proaktiv etwas für deine Beckenbodengesundheit tun möchtest und auch die Biomechanik des Beckens besser verstehen willst, dann könnte mein Becken(boden)Kurs interessant für dich sein. Schau doch gerne mal vorbei und informiere dich über die Inhalte.
Quellen (aus Studien & Reviews):
Reiter, R. C. (1990). A profile of women with chronic pelvic pain. Clinical Obstetrics and Gynecology, 33(1), 130–136.
Alperin, M., et al. (2008). The pathophysiology of pelvic organ prolapse: A review of the literature. American Journal of Obstetrics and Gynecology, 199(5), 539.e1–539.e7.
DeLancey, J. O. L. (1992). Anatomic aspects of vaginal eversion after hysterectomy. American Journal of Obstetrics and Gynecology, 166(6), 1717–1728.
ergänzend: NCBI – Pelvic Floor Anatomy & Fascia
MDPI – Myofascial chains and pelvic function