Kopf hoch

Das Haupt ist seinem Platze nach immer vorn, ist der Versammlungsort der abgesonderten Sinne und enthält die regierenden Sinneswerkzeuge in einem oder mehreren Nervenknoten, die wir Gehirn zu nennen pflegen. - Goethe

Diesen Satz soll Goethe als Kind in sein Tagebuch geschrieben haben. Ich weiss zwar nicht sicher ob das stimmt, da ich nicht dabei war, aber er passt perfekt um diesen Artikel (und Weitere, die das Gehirn betreffen) einzuleiten


Unser Kopf hat Gewicht.

Buchstäblich, denn er wiegt bei Erwachsenen, je nach Geschlecht und Körpergrösse, zwischen 4-6 kg. Es gibt Quellen die sogar von bis zu 11 kg sprechen, wenn man Rachen und Nasennebenhöhlen dazu rechnet. Aber ob das jetzt 6 oder 11 Milchtüten sind, die wir auf unserer Wirbelsäule balancieren, ist im Folgenden nicht so entscheidend. Fakt ist, es ist viel Gewicht und dieses Gewicht möchte gut balanciert werden.

In meiner letzten Podcastfolge habe ich das Thema der Nasenatmung und der Bedeutung unserer Zungenposition eröffnet und werde in weiteren Folgen noch mehr darauf eingehen. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich nun ein bisschen mehr Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Zunge, Kopf und der Körperstatik herstellen und zwar aus spiraldynamischer Sicht.

Die Spiraldynamik orientiert sich, wie es der Name schon sagt, an der Form der Spirale sprich einer Helix. Damit man von einer Spirale sprechen kann, bedarf es bestimmter Grundvoraussetzungen. Eine davon ist der sogenannte C-Bogen. Zwei sich gegenüberstehende Pole, bei Betrachtung des Kopfes sind das dann also Kopf und Beckenpol, drehen sich in entgegengesetzte Richtung zueinander. Dadurch entsteht eine gewisse Spannung. Vergleichbar mit einem Geigenbogen, den man vor dem Spielen spannt.


Dieses Zueinanderdrehen nennt man auch Aufrichten. 

Die Aufrichtebewegung des Kopfs setzt das Nackenband unter Zug. Die Wirbel werden einer nach dem andern nach hinten-oben gezogen. Dadurch verlängert sich die  Halswirbelsäule und gewinnt an Stabilität bei vollem dynamischen Potential.

Aber es bleibt nicht nur bei der Aufrichtung des Kopfes und der Verlängerung der HWS.
Die Kopf- und Halsmuskulatur gehört zu den beweglichsten und komplexesten Muskelsystemen unseres Körpers. Neben sämtlichen Bewegungen des Kopfes werden aber auch die Atmung, Nahrungsaufnahme, das Schlucken, Sprechen/Singen, die Mimik, sowie die Ausrichtung der Sinnesorgane (Gleichgewicht) von diesen Muskeln koordiniert. Die Zusammenhänge des Kopfes mit anderen wichtigen Abläufen in unserem Körper sind also mannigfaltig und von grosser Bedeutung.

Das Impulszentrum

Besonders interessant, gerade auch für Musiker, ist der Start- oder Initiationspunkt für all diese Bewegungen, die unseren Kopf und von da aus den Rest des Körpers betreffen. Das sogenannte Impulszentrum. In unserem Becken ist das die Beckenbodenmuskulatur und bei dem Kopfpol ist es die Ringmuskulatur um unsere Lippen herum. Spätestens jetzt müssten die Musiker unter uns, vor allem die, die ein Blasinstrument spielen,  hellhörig werden.

Von den Impulszentren aus beginnt die Aktivität, welche die Pole auf- bzw ausrichtet und die Dehnspannung aufbaut. Sie sind in Gelenksnähe zentriert, regulieren die Bindegewebsspannung und sie legen die koordinierte Grundlage für Bewegung. Das bedeutet ein intaktes Impulszentrum ist laut den Kausalitäten der Bewegung Voraussetzung, dass die ganze danach folgende Muskelkette, die an der Bewegung beteiligt ist, effektiv und koordiniert arbeitet.

Nun könnte man vielleicht denken, ein Blasinstrument zu spielen würde vollkommen ausreichen, damit die Grundvoraussetzungen für eine gute Kopfaufrichtung vorhanden sind. Schliesslich wird ja die Ringmuskulatur dabei genutzt sprich das Impulszentrum des Kopfpoles.

Abbildung aus dem Atlas der Anatomie von H. F. Ullmann

Die Wechselwirkungen zwischen Zunge und Kopfaufrichtung

Die Wirkungsweise ist aber wechselseitig. Einfach gesagt, kann man natürlich seine Ringmuskulatur zum Spielen nutzen und dennoch einen nicht aufgerichteten Kopf haben. Die Koordination und die volle dynamische Kraftentfaltung geht dabei aber unter Umständen abhanden oder kann sich garnicht erst wirklich entfalten. Denn jede Funktion eines Körperteils, sprich der Muskeln, begünstigt oder beeinträchtigt die Funktion eines anderen Abschnittes im Körper. So wird jemand, der vorrangig durch den Mund atmet, eine nicht koordinierte Zungenposition und somit auch eine solche, nicht koordinierte, Zungen und Lippenmuskulatur etablieren. Was wiederum die nicht aufgerichtete Position des Kopfes begünstigt. Und genauso umgekehrt. Wenn der Kopf in die nicht aufgerichtete Position fällt, begünstigt dies ebenfalls die Inaktivität der Zungenmuskulatur, das Überdehnen der Halsmuskulatur und führt somit zu einem inaktiven Impulszentrum (im unbewussten Alltagsgeschehen). Die paar Stunden, die ein Blasinstrumentalist seine Lippenmuskulatur beim Spielen nutzt, sind demnach kein wirkliches Gegengewicht zum unbewussten Alltagsgebrauch des Kopfes. Und es steht auch noch die Frage im Raum, ob die Aktivität der Ringmuskulatur beim Blasinstrument spielen bei jedem individuell betrachtet, eine wirkliche Aktivierung der eigentlichen Impulsmuskulatur ist.

Einluss der Kopfhaltung auf die Kiefergelenke in Anlehnung an Suppé & Bongartz (2013) Quelle Springer Verlag

Beckenboden und Lippenschluss

Wenn man das Gegenstück, nämlich den Beckenboden betrachtet, dann ist dieser bei vielen Menschen nicht wirklich gesund, agil und seinem Potential entrsprechend aktiv. Dennoch können die betroffenen Menschen gehen und laufen. Der Beckenboden ist nämlich als Impulszentrum für unser Becken der Initiator für jede Geh- und Laufbewegung. Das heisst, unser System versagt nicht gleich und fällt buchstäblich in sich zusammen, sondern hat eine Vielzahl an Alternativlösungen, welche aber mit gewissen Kompromissen auf Kosten eines oder mehrer anderer Glieder in unserer Bewegungskette verbunden ist. Es wird uns demnach nicht immer sofort auffallen und wie bei einem Auto eine ständige Warnleuchte blinken wenn wir aus unserer Funktion fallen. Ganz im Gegenteil macht unser Körper fast schon wohlwollend mit. Und hier passt der Satz von Phillip Herold aus unserer gemeinsamen Podcastfolge: “Jedes Symptom ist gut gemeint”.

Potentialentfaltung

Bevor wir also wirkliche Probleme bekommen, könnten wir uns doch die Frage stellen, welches Potential vielleicht noch im gesamten Bewegungsapparat und auch der Gesichts und Zungenmuskulatur steckt, wenn der Kopf einmal dort angekommen ist und auch dort bleibt wo er funktional hin gedacht ist. Und nach dem Kopf hat man dann vielleicht auch Lust sich um das Becken, die Schultern, den Rumpf, den Beinen usw. zu kümmern.

Es gilt also, sich ein auf die Suche nach den versteckten Potentialen in seinem Körper zu begeben lohnt sich eher, als auf die Probleme zu warten, an denen man unter Umständen später verzweifeln möchte.

Ich mach mich also weiterhin auf die Suche nach meinem versteckten Potential und teile sehr gerne mit dir meine Einsichten und Erfahrungen und helfe dir somit oder auch im direkten Kontakt weiter auf deinem Weg des Findens und Wiederentdeckens.

Dran bleiben ;) und viel Spass mit vielen gesunden Tönen ob nun beim Musik machen oder im ganz normal Leben

alles Liebe

Veronika

Zurück
Zurück

Warum Biomechanik (Musikern) hilft und wir dadurch besser Atmen?!

Weiter
Weiter

Blog like nobody is reading…